Jelmoli – Biografie eines Warenhauses / Filmgespräch mit Sabine Gisiger (Regie)
Dokumentarfilm von Sabine Gisiger
CH 2024, DCP, Dialekt/d/f, 75’, ab 16 Jahren
Kaum ein Ort symbolisiert den Aufbruch in die Moderne besser als das Warenhaus, das Bedürfnisse nicht nur befriedigte, sondern geschaffen hatte. In Zürich läutet Franz Anton Jelmoli die neue Epoche mit dem Bau eines seinerzeit spektakulären Glaspalastes an der Bahnhofstrasse ein. Nun, 125 Jahren später, schliesst das Traditionshaus Jelmoli seine Pforten.
Sabine Gisiger vereint in ihrem Dokumentarfilm auch die Erfahrungen Einzelner: Von der Gründerfamilie bis hin zu Mitarbeiter:innen, die jahrelang und mit Herzblut im Jelmoli gearbeitet haben und sich noch heute als «Jelmolianer:innen» bezeichnen. Die persönlichen Erzählungen aus dem Warenhaus und der reiche Fundus an Archivmaterialien spiegeln grosse Themen des 20. Jahrhunderts: Urbanisierung, Kolonialismus, Frauenemanzipation, Antisemitismus, Jugendrevolte – und schliesslich Globalisierung und Digitalisierung, die es obsolet gemacht haben, Waren aus aller Welt unter einem Dach zu versammeln.
So, 19.1., 17 Uhr: Film und Gespräch mit Sabine Gisiger (Regie), moderiert von Stephanie Werder (Kino Cameo).
Plein soleil (Nur die Sonne war Zeuge) / Einführung in die Filmreihe «In memoriam: Alain Delon»
Spielfilm von René Clément mit Alain Delon (Tom Ripley), Marie Laforêt (Marge), Maurice Ronet (Philippe Greenleaf), Erno Crisa (Inspektor Riccordi), Frank Latimore (O’Brien), Elvire Popesco (Madame Popova), Billy Kearns (Freddy Miles), Romy Schneider (Freddys Begleiterin) u.a.
F/I 1959, Digital HD, F/d, 117’
Mit «The Talented Mr. Ripley» schuf Patricia Highsmith einen Gegentypus im Genre des Kriminalromans. Ripley ist ein Krimineller, der ohne moralische Skrupel mordet. Strafe ist eine Frage des Zufalls. René Clément gelang eine geniale Verfilmung des Romans in der Tradition der existenzialistischen französischen Literatur. Er schuf einen Kriminalfilm von aufregender psychologischer Raffinesse, mit grandiosen Meeresaufnahmen und begleitet von verblüffender Klaviermusik von Nina Rota. Gedreht wurde auf Ischia, Procida, in Neapel und Rom.
Für Highsmith war Alain Delon die Idealbesetzung für Tom Ripley. Er verkörpert einen sympathischen und höchst attraktiven jungen Mann, der seine Ziele mit Charme und eiserner Härte verfolgt. Delons Spiel mit samtweicher Mimik und eisiger Kälte führte zu Spekulationen über seine eigene dubiose Vergangenheit und seine Liaison mit Romy Schneider, die am Anfang des Films kurz auftritt. Mit dieser glänzend gespielten Rolle gelang Delon Anfang der 1960er-Jahre der Durchbruch.
... et Pierre Jeanneret / Einführung von Cyril Kramer (Vorstand SIA)
Dokumentarfilm von Christian Baroni
Frankreich 2023, DCP, F/e, 99’
Kurz nachdem Indien unabhängig geworden ist, wünscht sich Ministerpräsident Nehru eine neue Stadt für 150'000 Einwohner:innen, ein «Symbol der Befreiung Indiens» von der englischen Kolonialherrschaft. Er beauftragt Le Corbusier, der wiederum seinen Cousin Pierre Jeanneret losschickt, um Chandigarh zu bauen. Zusammen mit einem englischen Architektenpaar und jungen indischen Architekten baut Pierre Jeanneret aus dem Nichts eine neue, umweltfreundliche Stadt mit 500'000 Bäumen. Die Weltgeschichte jedoch erinnert sich vor allem an einen Namen: Le Corbusier. Dieser Dokumentarfilm macht sich auf die Suche nach Pierre Jeanneret, der in der Geschichte der Architektur weitgehend vergessen wurde.
Mi, 22. Januar, 18 Uhr: Einführung von Cyril Kramer (Vorstand SIA).
Eine Kooperation mit dem SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein).
The Outrun / Kino Reloaded: Einführung und Surprise
Spielfilm von Nora Fingscheidt mit Saoirse Ronan (Rona), Paapa Essiedu (Daynin), Stephen Dillane (Andrew), Saskia Reeves (Annie), Nabil Elouahabi (Samir), Izuka Hoyle (Gloria), Lauren Lyle (Julie) u.a.
Grossbritannien/Deutschland 2024, DCP, E/d/f, 118’, ab 14 (16) Jahren
Mit Anfang dreissig kehrt Rona an den Ort ihrer Kindheit zurück, auf die schottischen Orkney-Inseln. Während sich die Biologin wieder mit der spektakulären Landschaft vertraut macht, vermischen sich ihre Erinnerungen an die Kindheit mit denen ihres exzessiven Lebens in London im Rauschzustand. Auf den abgeschiedenen Inseln lernt Rona, sich selbst neu zu entdecken. Fesselnde Performance von Saoirse Ronan und bildgewaltige Ode an Neuanfänge von Nora Fingscheidt («Systemsprenger»).
Die Geschichte von Rona wird mit berauschenden Bildern und einem einnehmenden Sound erzählt. Neben dem Spiel mit verschiedenen Zeitebenen ist es nicht zuletzt die aussergewöhnliche schauspielerische Leistung der Oscar-nominierten Saoirse Ronan («Lady Bird», «Little Women»), die «The Outrun» eine besonders intensive Qualität verleiht: «Die Energie von ‹The Outrun› entsteht zum Teil durch die oft heftigen Schnitte quer durch die verschiedenen Stationen in Ronas Entwicklung. Risse sind, so die Botschaft, bei ihr an der Tagesordnung. Vor allem aber ist es Saoirse Ronans Fähigkeit, ihre Figur in einer Weise zerrissen zu zeigen, die verschreckend und einnehmend zugleich ist.» (Tim Caspar Boehme, taz, 16.2.2024).
Der Film basiert auf dem autobiografischen Roman «The Outrun» («Nachtlichter») von Amy Liptrot. Seine Premiere feierte er auf dem Sundance Film Festival, danach wurde er u.a. auf der Berlinale gezeigt und war dort für den Panorama Publikumspreis nominiert.
Fr, 24. Januar, 20.15 Uhr: Einführung der Jugend-Programmgruppe Kino Reloaded, im Anschluss an die Vorstellung: Winter-Surprise!
Wir Erben / Filmgespräch mit Simon Baumann (Regie)
Dokumentarfilm von Simon Baumann
CH 2024, DCP, Dialekt/d, 96’, ab 12 Jahren
«Meine Eltern wollen uns ihr Lebenswerk vererben. Wir müssen reden. Über Erwartungen und Ideale. Über Privilegien und Lasten. Aber auch über Geld.» Die Eltern von Simon Baumann («Zum Beispiel Suberg») kämpften als Nationalrät:innen für eine naturnahe Landwirtschaft; später erfüllten sie sich ihre Träume, indem sie ein Landgut in Südfrankreich kauften, das sie bis heute bewirtschaften. Da der abgelegene Hof nicht als Alterswohnsitz taugt, stellt sich die Frage: Wie weiter? Sollen die beiden Söhne den Hof erben und weiterführen, was die Eltern begonnen haben – oder sie enttäuschen? Mit seinem Dokumentarfilm «Wir Erben» spricht Regisseur Simon Baumann anhand seiner eigenen Geschichte ein gesellschaftlich hochrelevantes Thema an – persönlich, witzig und pointiert.
Gemäss Lausanner Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart erben in der reichen Schweiz 90 Prozent der Bevölkerung irgendeinmal in ihrem Leben etwas. Die meisten eher wenig, ganz wenige sehr viel. Jeder zweite Vermögensfranken in der Schweiz ist geerbt.
Erbschaften sind in der Schweiz der wohl grösste Treiber für die zunehmende ökonomische Ungleichheit in unserem Land. Der Dokumentarfilm von Simon Baumann setzt nicht auf diese Zahlen, aber auf das Problembewusstsein im Umgang mit Erbfragen, die sich unweigerlich stellen.
Mo, 3.2., 20 Uhr: Film und Gespräch mit Simon Baumann, moderiert von Tanja Simeunovic (Filmwissenschaftlerin).
Tamina – Wann war es immer so? / Filmgespräch mit Beat Oswald (Regie)
Dokumentarfilm von Beat Oswald
CH 2024, DCP, Dialekt+D/f, 105’, ab 12 Jahren
Ein zivilisationsmüder Städter macht sich auf die Suche nach dem Wolf. Er streift durch die Wälder im Taminatal, das für die Wolfssichtung bekannt ist. Doch in der Natur begegnet er vor allem Menschen. Filmemacher Beat Oswalds («Golden Age») Wolfssuche in der überwältigenden Kulisse der Bündner Calanda-Region entwickelt sich im Austausch mit Einheimischen und Touristenmehr und mehr zu einer poetischen Reflexion über den Platz des Menschen in der Welt.
«Tamina – Wann war es immer so?» erforscht neugierig den von Wölfen und Menschen geteilten Lebensraum, und stellt dabei lustvoll und offenherzig Fragen zu unserem Verhältnis zur Natur. Eine vielschichtige filmische Suche voller Wunder und Abenteuer.
So, 9.2., 11 Uhr: Film und Gespräch mit Beat Oswald (Regie), moderiert von Annina Wettstein (Festivalkuratorin).
Das Lied der Anderen / Filmgespräch mit Vadim Jendreyko (Regie)
Dokumentarfilm von Vadim Jendreyko
CH 2024, DCP, OV/d/f 136’, ab 12 Jahren
Was ist Europa? Ist es unausweichlich, dass sich die Geschichte mit all ihren Albträumen immer wieder wiederholen muss? Aufgewachsen in einer Zeit, in der in vielen Ländern Europas Aufbruchsstimmung herrschte, in der alte Denkmuster überwunden schienen und nationale Grenzen abgebaut wurden, sieht sich Vadim Jendreyko mit dieser existenziellen Frage konfrontiert. Er beginnt eine filmische Recherche, und folgt dabei den Spuren alter Verwerfungen quer durch Europa. Die Begegnungen unterwegs – mit einer Dirigentin, einer Geologin, einem General und einem Vogelforscher – führen ihn Schritt für Schritt tiefer in die Frage nach unserem Umgang mit Geschichte und Erinnerung. In seinem persönlichen filmischen Essay vermitteln die Erzählungen seiner Protagonist:innen, fernab vom polarisierenden politischen Getöse, Zuversicht und eröffnen neue Perspektiven.
Jendreyko zu seinem persönlichen filmischen Essay: «Europa ist für mich eine Art unerschöpfliche Schatztruhe, in der Menschen mit den unterschiedlichsten Eigenarten Platz haben. Sprachen, von denen ich kein Wort verstehe, Speisen, die zu probieren Mut brauchen. Egal, in welche Himmelsrichtung ich mich bewege, es gibt immer Unterschiedlichkeiten: andere Klänge, Gerüche, Stimmungen und das erlebe ich als unheimlich vielverprechend und einladend. Ich weiss: egal wie ich heisse, aussehe und denke, ich habe Platz in diesem Europa.»
Do, 13.2., 19.30 Uhr: Film und Gespräch mit Vadim Jendreyko (Regie), moderiert von Tanja Simeunovic.
Suspekt / Filmgespräch mit Christian Labhart (Regie) und Bernard Rambert (Protagonist)
Dokumentarfilm von Christian Labhart
CH 2025, DCP, D/f, 82’
Bernard Rambert ist einer der bekanntesten und umstrittensten Strafverteidiger der Schweiz. Von der Terroristin Petra Krause über den anarchischen Ökoterroristen Marco Camenisch und den Bankräuber Walter Stürm bis hin zum gewaltbereiten Brian Keller: Der «Rote Beni» verteidigte sie alle. In «Suspekt» erzählt er ausführlich von seiner Tätigkeit und ordnet diese in die historischen Kontexte der letzten 50 Jahre ein; ergänzt von exklusivem Archivmaterial. Welche Bilanz zieht Rambert nach seiner jahrelangen Tätigkeit als Strafverteidiger? Im Interview mit Julia Klebs (Redaktorin der Schweizer Zeitschrift Widerspruch) erzählt Bernard Rambert offen von seinen Erfolgen und Niederlagen, von Höhepunkten und Abstürzen. Spürbar ist: Seine 1700-seitige Fiche, ein jahrelanges Berner Berufsverbot und ein Monat Untersuchungshaft haben ihn nicht verbittert.
Angenehm ist, dass Christian Labharts («Röbi geht», «Zwischen Himmel und Erde», «Giovanni Segantini – Magie des Lichts») Film nicht wie eine erhitzte Gerichtsverhandlung funktioniert. Vielmehr entsteht viel Raum für Ramberts Perspektive: «Christian Labhart lässt in seinem Film ‹Suspekt› den «Terroristenanwalt» ausführlich – und bewusst einseitig – zu Wort kommen. Diese Erzählperspektive durchzuziehen, ist für Labhart insofern ein legitimer Entscheid, als er die ungleichen Machtverhältnisse widerspiegelt, denen Bernard Rambert Zeit seines Lebens Widerstand entgegensetzte.» (Arttv.ch, 19.9.2024)
Do, 27.2., 20 Uhr: Podium mit C. Labhart (Regie), B. Rambert (Protagonist) und weiteren Gästen.
Film-TÜV / Filmanalyse mit Johannes und Thomas Binotto
Filmausschnitte von diversen Regisseur:innen mit Johannes Binotto, Thomas Binotto und Fabienne Hadorn
ca. 100'
Sie sind gefragt: Haben Sie einen Lieblingsfilmausschnitt, den Sie analysieren lassen wollen? Dann schicken Sie uns diesen! Egal ob Familienaufnahme oder Kinoklassiker, Internetclip oder Serienausschnitt – wir nehmen alles entgegen. Von den Einreichungen treffen wir eine Auswahl und informieren Sie, wenn Ihr Ausschnitt dabei ist.
Das Format «Film-TÜV» funktioniert wie folgt: Die beiden Filmkenner Thomas Binotto (Filmjournalist) und Johannes Binotto (Kulturwissenschaftler) sehen am Film-TÜV-Abend Ihren Ausschnitt im Cameo zum ersten Mal, unterhalten sich spontan darüber, beobachten scharf, diskutieren hitzig, philosophieren tief – und betten diesen mit einem Augenzwinkern in die Filmgeschichte ein. Damit alles noch lustvoller wird, führt die Schauspielerin und Moderatorin Fabienne Hadorn durch den Abend.
Schicken Sie uns Ihren Clip (oder den Link dazu) von maximal 2 Minuten Länge an filmab@kinocameo.ch. Einsendeschluss: Mi, 12. März 2025.