Dokumentarfilm von Asif Kapadia
Grossbritannien 2018, DCP, OV/d/f, 130'
1984 wechselt Maradona von Barcelona nach Neapel für eine bis dahin nie dagewesene Ablösesumme. Der berühmteste Fussballstar und die chaotischste Stadt – das schien ganz selbstverständlich zusammenzupassen. Und tatsächlich gelang dem Argentinier, wonach sich die Neapolitaner*innen so sehr sehnten: der erste Titelgewinn. Sieben Jahre lang fährt Neapel mit Maradona auf der Erfolgsspur – doch der kollektive Traum hat seinen Preis, für die Stadt wie auch für ihn selbst. Maradonas Leben folgt der berühmten Geschichte von Aufstieg und Fall, in der man sich in manchen Momenten in einem Mafiafilm aus Hollywood wähnt.
Für die filmreife Lebensgeschichte von Maradona – ein Junge aus den Elendsvierteln von Buenos Aires entwickelt sich zu einem der grössten Fussballspieler aller Zeiten – standen dem oscar-gekrönten britischen Filmemacher Asif Kapadia («Amy», «Senna») 500 Stunden unveröffentlichtes Archivmaterial zur Verfügung, dazu Tonaufnahmen von eigenen Interviews mit Insidern und Maradona selbst. Gedreht hingegen hat er keine Sekunde, denn die konsequente Vermeidung sogenannter «Talking Heads» ist längst zum Markenzeichen von Kapadia avanciert: «Ich will keine Filme machen, in denen das Publikum immer wieder zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin- und herspringen muss. Das Publikum soll vergessen, dass sich das Geschehen in der Vergangenheit abspielt. Die Handlung soll gegenwärtig werden. Es ist ein stilistischer, filmischer Kniff, der das Ganze mehr wie Kino erscheinen lässt. Und weniger wie Fernsehen.»
«Zum einen sind da die Aufnahmen des Argentiniers Juan Laburu und des Italieners Luigi ‹Gino› Martucci, zweier Kameraleute, die Maradona im Auftrag seines Freundes und damaligen Agenten Jorge Cyterszpiler in den Achtzigerjahren über mehrere Jahre hinweg begleiteten. Sie zeigen etwa, wie der Fussballstar am Spielfeldrand einen Journalisten bedroht, und sie begleiten den Ballvirtuosen hautnah beim Spiel aus so noch nie gesehenen Perspektiven. Hinzu kommen Bilder von Gennaro Montuori, der dem mächtigen Fanclub der Napoli Ultras angehörte, mit Maradona befreundet war und beispielsweise filmte, wie die Mannschaft in der Kabine die Meisterschaft feierte. Schliesslich erhielten die Filmemacher auch Zugriff auf das private Filmarchiv von Maradonas Exfrau Claudia Villafañe. (…) Insgesamt ergibt sich daraus ein visuell grobkörniges, aber dramaturgisch fein gesponnenes Porträt, das Maradona in seiner Zeit in Neapel als eine nahezu gespaltene Persönlichkeit interpretiert: fussballerisch genial, gefeiert, verehrt, gleichzeitig aber eine Marionette der Camorra, drogensüchtig, masslos, egozentrisch. Vom eigenen Grössenwahn überfordert.» (Stefan Volk, Filmbulletin, 2.9.2019)