Musikfilm von Nick Cave und Robbie Ryan
Grossbritannien 2020, DCP, OV, 118‘, ab 16 J.
Es war seine Antwort, der durch Corona nahezu stillgelegten Musikindustrie Respekt zu zollen: Der australische Musiker Nick Cave mietete im Juli den Londoner Alexandra Palace, setzte sich an den Flügel und legte im leeren Konzertsaal virtuos los – mit Songs von «Grinderman» oder «The Bad Seeds». Cave intim und hautnah – Kameramann Robbie Ryan («American Honey», «The Favourite») hält die Stimmung dieses einzigartigen Moments fest. Ein ergreifender Konzertfilm.
Mit jedem Jahr werde Nick Cave interessanter und nahbarer, konstatiert die Journalistin Carole Koch in einer kürzlich verfassten «Ode an den grössten Melancholiker unserer Zeit»:
«Er habe ein wachsendes Bedürfnis, verbundener zu sein mit dieser Welt, schreibt er in den ‹Red Hand Files›. In all den Antworten kann ich bisweilen meine eigenen Fragen vergessen. Weil sie immer lesenswert sind, oft berührend und manchmal lustig oder ziemlich steil: Einmal führt Cave aus, warum Maria Magdalena für ihn die wahre Heldin der Bibel ist. Der ehemalige Chorknabe ist zwar von der christlichen Kultur fasziniert, würde sich aber nie als Christ bezeichnen. Gott sei ‹Work in progress› und das Fazioli-Piano, sein Lieblingsinstrument, voller ‹sangue dei santi›. Es ist der Flügel aus ‹Idiot Prayer›, dem Konzertfilm und neusten Album – Caves Antwort auf Corona. Selbstverständlich bespielt er nicht irgendein Hinterzimmer, wie es im Lockdown so viele taten, sondern das Londoner Alexandra Palace, einen viktorianischen Konzertpalast für 2500 Menschen. Er hat die Plätze symbolisch für uns freigelassen und sitzt da ganz allein, auf sich zurückgeworfen, seine Stimme und sein Piano. Und in dieser Kleinheit wird er grösser denn je, indem er die Leere dieser Zeit mit seiner Musik füllt. Im einsamen Licht der Scheinwerfer, im Spiegel des tiefschwarzen Fazioli. Und wenn er singt ‹If you want to bleed, just bleed, if you want to bleed, don’t breathe, a word, just step away›, dann könnte ich sofort sterben, und es wäre okay.» (Carole Koch, NZZ am Sonntag, 22.11.2020)