Dokumentarfilm von Johanna Faust
Schweiz 2019, DCP, OV/d, 91‘
Um sich vollumfänglich der Kunst zu widmen, drängt es die 1973 geborene Baslerin Johanna Faust weg von ihrer Familie. Doch bevor sie ihre Angehörigen für längere Zeit verlässt und ihr Kunststudium in Oxford angeht, kommen Zweifel auf: Hat nicht ihre Grossmutter denselben Weg eingeschlagen, mit schwerwiegenden Konsequenzen? Auf der Suche nach Antworten begibt sie sich samt Mann und Kindern auf eine Reise in die Vergangenheit der Frauen in ihrer Familie, die sie in die USA und nach Mexiko führt. Anhand ihrer eigenen Familie kann sie aufzeigen, dass positive Erfahrungen, aber auch Traumata transgenerational weitergegeben werden. Durch diesen Prozess findet Johanna Faust zumindest für den Moment zu einer Entscheidung über ihr eigenes zukünftiges Leben. Ein radikal ehrliches und intimes Roadmovie über verlorene Mütter, verlassene Kinder und den Wunsch nach Selbstverwirklichung.
Für ihren Film hat Johanna Faust den Weg gewählt, mit Mann und den drei Kindern zu drehen, um den Konflikt zwischen Mutter-Sein und Künstlerin-Sein ins Werk einfliessen zu lassen. Dabei wurde die ganz konkrete Dimension eines Konflikts sichtbar, der sich als Hindernis, aber auch als Chance herausstellte: «Will ich Kunst machen, die sich nur durch Abspaltung von meiner Verantwortung als Mutter verwirklichen kann? Ich sehe mit Blick auf die Geschichte bei Vätern genau diesen Prozess. In meiner Familie waren einige Frauen Künstlerinnen und haben dabei offenbar radikale Entscheidungen getroffen. Gleichzeitig haben sich Männer über Jahrhunderte den unmittelbaren Notwendigkeiten und emotionalen Beziehung zu ihren Kindern entzogen und diese den Frauen überlassen. Ich habe verstanden, dass meine privaten familiären Angelegenheiten eine Bedeutung haben, die über das rein Persönliche hinausgehen.»
«Gerade weil der Film nicht gewohnten Sehmustern folgt und weil die Künstlerin Johanna Faust einen radikalen Seelenstriptease vorführt, ist der Film aussergewöhnlich sehenswert. Der schonungslose Umgang mit ihrer eigenen Mutter und der unorthodoxen Art über Mutterschaft nachzudenken, mag gewöhnungsbedürftig sein, ist aber gerade eine Stärke des Films. Für mich einer der mutigsten und radikalsten Filme am Zurich Film Festival 2020.» (Felix Schenker, www.arttv.ch)
So, 2. Mai, 11 Uhr: nach dem Film Gespräch mit Johanna Faust (Regie), moderiert von Anne Gruber (Kunstvermittlerin).