Dokumentarfilm von Beatrice Michel
Schweiz 2005, DCP, Dialekt, 85’
Mikrokosmos Klingenhof: Über drei Jahre beobachtete Beatrice Michel das Leben im Innenhof gleich hinter der Zürcher Langstrasse. Vor ihrer Haustür begegnet sie Originalen, wie dem Hausmeister, der sich mit den Hausbewohner*innen und Drogenhändlern gleichermassen versteht. Oder Nico, der die Suche nach seiner peruanischen Mutter zum Thema seines Abschlussfilms an der Kunstschule macht. Michels Protagonist*innen kommen aus Bagdad, Sarajevo oder dem Emmental und unweigerlich kommt die Frage nach Heimat und Zugehörigkeit auf. Auch für Michel selbst: Während der Dreharbeiten stirbt unerwartet ihr Freund und Kameramann Hans Stürm.
Michels ruhiger Film nähert sich behutsam den Bewohner*innen des Klingenhofs und schafft es ihnen durch die Gespräche ganz nahe zu kommen. Entstanden ist ein subtiles und einfühlsames Porträt, dass gleichzeitig eine faszinierende Zeitreise in die Anfänge der 00er-Jahre darstellt, als die Langstrasse noch nicht gentrifiziert war und Raum für diese multikulturelle Gemeinschaft bot.
«Tief ehrlich stellt die Regisseurin Sonniges und Schattiges nebeneinander; so ungehemmt, wie sie ein Paar beim Flirten beobachtet, so unzimperlich schaut sie zu, wie der Hof geputzt wird, und auch die zugedröhnte, junge Frau, die im Toreingang schläft, entgeht ihr nicht. […] Die Gegend hinter Zürichs Bahnhof ist derzeit rasant daran, sich zu verändern. Die Wohnungen - auch die in den Häusern am Klingenhof - werden schicker und teurer; die Stadtoriginale und Ausländer, in ‹Klingenhof› noch goldiges Herzstück, verschwinden. Was bleibt ist Michels Film: Das von der als Ich-Erzählerin agierenden Filmemacherin mit knappen Kommentaren versehene Protokoll der Recherche nach einer im Schwinden begriffenen Zeit, sowie ein zarter Abschiedsgruss an den Mann, mit dem sie durchs Leben ging.» (Irene Genhart, cineman.ch).
Rückblickend auf den Film schrieb Beatrice Michel dem Kino Cameo: «Seit 30 Jahren wohne ich nun im Klingenhof, vor 22 Jahren begann ich den Film zu drehen, freue mich, dass er gelungen ist, mehrere Bewohner machten mit, begrüssen mich heute noch herzlich. Besonders freue ich mich, dass ich die Mauerresten im Innenhof gezeigt habe, sie stehen immer noch da, wurden von Künstlern bemalt, werden von Kindern und Jugendlichen oft besucht.»