Stummfilm von Jakob Tuggener
CH, 1937 – 1970
Der Fotograf, Maler und Filmemacher Jakob Tuggener (1904-88) glaubte an die suggestive Kraft der Bilder und das erzählerische und assoziative Potenzial der Bild-Montage, wie sie im deutschen expressionistischen Film der 1920er Jahre wirkungsvoll eingesetzt worden war. Der Stummfilm wurde ihm zu einer der wichtigsten Quellen der Inspiration. Er beeinflusste seine Bildsprache, schärften sein Gefühl für Rhythmus und Dramaturgie und bestärkte seinen Glauben an die Wirkung einer bewussten Abfolge von Bildern.
Kurz nachdem Tuggener 1936 zusammen mit seinem Freund Max Wydler der «Vereinigung Zürcher Film-Amateure» beigetreten war, schaffte sich der etwas finanzkräftigere Wydler eine 16mm Filmkamera an, mit der sie – dank Aufträgen für die Maschinenfabrik Oerlikon – erste experimentelle Dokumentarfilme realisieren konnten. Tuggener war Feuer und Flamme und nahm sich nicht weniger vor, als mit seinen Filmen das Schweizer Filmschaffen zu revolutionieren. So schuf er, anfänglich in Zusammenarbeit mit Max Wydler, bis 1970 eine eindrückliche Reihe von über zwanzig Kurzfilmen im Spannungsfeld zwischen dokumentarischem Ansatz und reiner Fiktion. Obwohl Tuggeners unkonventioneller, bewusst künstlerischer Umgang mit dem Medium Film im Kreis der Filmamateure nicht selten für Diskussionen sorgte, erhielt er viel Lob und Anerkennung für seine Werke. Einige davon wurden sogar in nationalen und internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Sein filmisches Oeuvre wurde jedoch nie von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen.
Im Kino Cameo können einige Filme von Tuggeners eigenwilliger Film-Welt entdeckt werden, die beiden Filme «Flugmeeting» (1937) und «Grimentz» (1938) sogar mit Live-Musik von Ulrich Gasser, gespielt vom trio /// arsis, Winterthur (Flurina Sarott – Violine, Delaja Mösinger – Viola, Cristina Janett – Cello) sowie Arthur Schneiter und Nina Schmitter (Klangsteine). Die Veranstaltung entstand in Kooperation mit der Fotostiftung Schweiz, Winterthur, zur Ausstellung «Jakob Tuggener Maschinenzeit» (21.10.2017 – 28.1.2018)
Kurzfilm-Zusammenstellung am 11. Januar 2018 (16mm, sw):
«Grimentz» (1938, 5', unvollendet) – mit Livemusik
Impressionen aus dem kleinen Dorf Grimentz im Val d’Anniviers im Wallis. Dem Bach Gougra entlang wandert der Blick über die Alpwirtschaft und das Dorf, die Menschen und Tiere, die Arbeit, die Landschaft und die lokale Architektur.
Begrüssung Martin Gasser; Einführung von David Landolf, Lichtspiel Bern
Einführung Severin Rüegg 1. Teil
«Rosmarie» (1942, 16', in Zusammenarbeit mit Max Wydler)
Ein Mädchen sieht in einem Schaufenster ein Badekostüm und da es kein Geld hat, nimmt es zu Hause ein Kitschbild von der Wand, um es zu verkaufen. Wir sehen seinen Leidensweg durch die Zürcher Altstadt von einem Antiquar zum anderen, bis ein Kunsthändler sich erbarmt und aus Spass an dem kitschigen Bild das Badekleid bezahlt.
«Die Muse» (1957, 9')
Vor den Augen eines Malers verwandeln sich die Besucher seiner Ausstellung in die surrealen Geschöpfe seiner Fantasie. Die Schönheit eines Mädchens verführt ihn in das Reich der Träume. Als er erwacht, findet er sie nicht mehr unter den Gästen. Unglücklich eilt er nach Hause, verfolgt von seinem sonderbaren Publikum. In seiner Dachkammer erwartet sie ihn als Muse.
Einführung Severin Rüegg 2. Teil
«Der Weg aus Eden» (1952, 4')
Eine Parabel über die Vertreibung aus dem Paradies, mit einem polnischen Arbeiter, den Tuggener in der Maschinenfabrik Oerlikon kennen gelernt hat, in der Rolle eines Predigers. Während sich eine Frau in einer felsigen Berglandschaft zu verlieren scheint, ist eine andere dazu verurteilt, an einer Stanzmaschine in der Fabrik eintönige und endlose Akkordarbeit zu leisten.
«Ciel naïf» (1967, 22')
Als neu angekommene Seelen realisieren, wie karg der Himmel ist, wollen sie wieder abreisen. Jakob Tuggener nutzt die verschiedene Orte in der Stadt Zürich, um seine fantastische Geschichte vom Himmel, von antiken Göttern und weltlichem Genuss zu erzählen.
«Flugmeeting» (1937, 5') – mit Livemusik
Jakob Tuggener hat das Flugmeeting in Dübendorf bei Zürich bereits 1934 fotografiert, 1937 nimmt er es als Anlass für seinen ersten Film. Staunende Kinder, Flugzeuge in Formation und Zeit für ein Gespräch: das Flugmeeting ist auch ein sozialer Anlass.
Bild: «Ciel naïf»