Tlamess

Angewidert von der Brutalität der Armee, kehrt der junge tunesische Soldat S. nach dem Tod seiner Mutter nicht mehr aus dem Urlaub zu seiner Truppe zurück. Als Deserteur – von den Behörden gejagt –, flieht er in die Wälder. Jahre später streift F., die schwangere Frau eines wohlhabenden Geschäftsmannes, ziellos im Wald umher. Sie wird zur Geisel von S., der inzwischen als zerzauster Einsiedler in einem höhlenartigen Unterschlupf lebt. Nach anfänglichem Widerstand von F. gehen die beiden eine Lebensgemeinschaft ein. Sie halten sich mit primitivsten Mitteln über Wasser, während sie die Geburt des Kindes erwarten und sich allmählich von ihren auferlegten gesellschaftlichen Rollen lösen.

Dank der Musik, die hier anstelle des Erzählers tritt, kommt der Film ohne Dialoge aus. Die melancholisch summende Textur des Soundtracks der Gruppe Oiseaux-Tempête verstärkt die dystopischen Untertöne und weckt Emotionen und Erwartungen. Ein surrealer Traumfilm über die Abkehr von der tunesischen Wirklichkeit. Für die Rolle des S. hat der Regisseur Ala Eddine Slim mit Abdullah Miniawy einen gefeierten jungen Dichter und Musiker verpflichtet. Miniawy verlieh den Revolutionären und Freiheitskämpfern Ägyptens eine Stimme und steht für die leidenschaftliche Jugend des Landes.

«Slim ist ein Filmemacher, der es versteht, eine unverbrauchte, einzigartige und mitreissende filmische Perspektive auf das heutige Tunesien zu vermitteln. Sein ergreifender Erstlingsfilm ‹The Last of Us› (2016) folgt einem jungen Mann bei seinem Versuch, aus Tunesien mit einem Boot über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen. Mit ‹Tlamess› (dt. ‹Verzauberung›) gelingt es dem Regisseur erneut, die Ängste unserer Zeit aufzugreifen und eine besondere Schönheit in der Unwirtlichkeit zu entwickeln und ein Quäntchen Sinn im Chaos zu schaffen.» (Adela Lovric, 10.02.2020, Qantara.de)

Ausgezeichnet als bester Film am 5th Arab Film Festival Zurich.